Kündigen, Entlassungen aussprechen und auf jemanden verzichten. Das ist nicht einfach. Noch schwieriger wird es, wenn es die Verantwortlichen «anständig» machen wollen. Doch was heisst das? Dominik Müller hat mit Unternehmern und Führungskräften geredet, die es selbst erfahren haben. Zum Beispiel mit Andreas Moser, CFO der forteq Group, die ihren Standort in Derendingen 2020 schloss, Arbeitsplätze nach Tschechien verlagerte und 27 Mitarbeitenden kündigen musste.
CFO
Als Finanzchef ist Andreas Moser verantwortlich für ein effizientes Controlling für ein sich schnell veränderndes, globales und ganzheitliches Unternehmen. Die forteq Gruppe entwickelt, produziert und vertreibt hochkomplexe Komponenten und Baugruppen für die Automobilindustrie. Stationen von A. Moser waren LNS, Mikron und Ascom.
DM: Wie schliesst man «anständig» einen Betrieb in der Schweiz, um ihn nach Tschechien zu verlagern?
AM: Schwierig zu sagen! Letztlich muss jeder Verantwortliche selbst hinter der Entscheidung stehen können. Ich kann Ihnen bloss sagen, was für mich stimmt und in meinem Sinne anständig und richtig ist.
Genau das möchte ich erfahren. Wie muss es demnach sein, dass es für Sie stimmt?
Man muss «das Richtige tun und es richtig tun». Damit lehne ich mich an Peter Drucker an. Das Richtige tut der Entscheider, wenn er überzeugt ist, dass es das Richtige für das Unternehmen und letztlich alle Stakeholder ist.
Und richtig macht er es, …
wenn die Mitarbeiter wieder eine Anschlusslösung finden; wenn die Mitarbeiter möglichst keine finanzielle Lücke erfahren; wenn in der Unsicherheit möglichst wenig Unsicherheit entsteht! Und für mich persönlich heisst richtig: nicht vom Schreibtisch aus, sondern möglichst nahe beim Mitarbeiter.
Was steckte eigentlich hinter der Verlagerung? Mit welchen Problemen haben Sie sich herumgeschlagen?
Wir sind ein hochspezialisierter Zulieferer für die Automobilindustrie und als solcher müssen wir extrem kosteneffizient sein. Zudem mussten wir uns noch näher zum Kunden hin ausrichten. Darum hatten wir uns entschlossen, die Produktion in Derendingen zu schliessen und ins bestehende Schwesterwerk nach Tschechien zu verlagern.
Die Herausforderungen, die die Verlagerung mit sich brachte…
… waren die folgenden Fragen: wie stellen wir die unterbruchsfreie Belieferung der Kunden sicher? Wie stellen wir sicher, dass Mitarbeiter ihr Knowhow trotz Stellenverlust weitergeben? Was benötigen sie, um bis zum Schluss Höchstleistungen zu erbringen? Wie wird es funktionieren, in der Schweiz ein Top-Engineering weiterzuentwickeln, obwohl es dann weit weg von der Produktion ist?
Wie sind Sie denn diese Themen angegangen?
Wir haben in einem kleinen Team den Business-Case erarbeitet, anschliessend mit den Entscheidungsträgern diskutiert und entschieden. Das etwas grössere Projektteam hat dann ein Grob- und ein Detailkonzept mit Umsetzungsplan, Kommunikationsplan und allem, was es für die Verlagerung benötigte, erstellt.
Haben Sie sich Unterstützung geholt?
Wir haben uns z.B. mit Swissmem und einem befreundeten Unternehmen über die Vorgehensweise ausgetauscht. Uns war von Beginn weg klar: die Kommunikation, ob intern oder extern, die muss einfach gelingen! Wenn die Umsetzung startet, müssen alle Stakeholder sofort informiert sein. Und aus diesen Kontakten kam dann auch die Empfehlung, mit Michaela Dielacher und dem infiniti-Team zusammenzuarbeiten.
Die Zusammenarbeit war das eine bewusste Entscheidung oder eher Zufall?
Wir hatten für die Verlagerung von der Vorbereitung bis zum Abschluss bloss 9 Monate Zeit. Dabei war uns klar, dass wir in Anschlusslösungen für die betroffenen Mitarbeiter investieren und nicht Abfindungen finanzieren. Darum haben wir mit infiniti ein Jobcenter aufgebaut.
Warum infiniti?
Ihr Konzept hat schlicht überzeugt; das Team hatte Erfahrung. Und… die Persönlichkeit von Michaela Dielacher. Sie bringt’s einfach! Vor dem Prozess war die Referenz von Leuten, die bereits mit infiniti zusammenarbeiteten hilfreich. Ich hatte jedoch erst nach dem Jobcenter wirklich begriffen, was der Mehrwert von infiniti ist.
Wie meinen Sie das?
Günstig ist ein Jobcenter ja nicht und da fragt man sich auch, ob sich die Investition lohnt. Gibt es einen Mehrwert gegenüber der Variante, Mitarbeitende zu entlassen und z.B. ins RAV zu schicken?
Und, hat es sich gelohnt?
Auf jeden Fall! Der Jobapéro war mein Schlüsselerlebnis. Da habe ich deutlich erlebt, wie Michaela Dielacher und ihr Team mit unserer Belegschaft arbeiten. Unsere Arbeitskräfte haben sich selbst und ihre Arbeit so mit Stolz und viel Freude gegenüber Fremden vorgestellt, dass sie zum Teil von der Stelle weg neue Jobangebote bekamen. Das war mehr als eindrücklich!
Diese Veränderung bei den Angestellten hat sie verblüfft.
Ja. Ich sagte, eigentlich müsste es uns gelingen, genau so unsere Belegschaft zu coachen. Ich wünsche mir, dass alle Arbeitskräfte sich und die Firma auch im gewöhnlichen Alltag so präsentieren, wie das die Mitarbeitenden im Jobapéro gemacht haben.
Wie würden Sie die Arbeit von infiniti sonst noch beschreiben?
Sie waren Sparringspartner. Sowohl für Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber. Sehr professionell haben sie die Balance gefunden. Sie waren so etwas wie ein dritter Pol neben Arbeitgeber und Arbeitnehmer und somit unabhängig. Sie engagieren sich sehr stark und mit hohem persönlichem Engagement für die Mitarbeitenden; trotzdem können sie auch sehr hart und konsequent sein.
Ein Jobcenter ist mit einem betriebs-internen Arbeitsmarktzentrum zu vergleichen. Es schult, coacht und begleitet Mitarbeiter in der Kündigungszeit. Mit dem Ziel, für jeden Mitarbeiter eine individuelle und nachhaltige Lösung zu finden.
Was würden Sie heute anders machen?
Im Prozess selbst nicht viel, jedoch im Vorfeld. Sie müssen wissen, in einem solchen Prozess kommen Unterlassungen aus früheren Zeiten schonungslos zutage.
Wie zum Beispiel…?
Wir hatten uns in den Vorjahren nicht immer um die Arbeitsmarktfähigkeit von einzelnen Angestellten gekümmert oder auch mal Personal mitgetragen, über deren Zukunft wir uns besser vorher schon aktiv Gedanken gemacht hätten. Und ich würde heute schon vor einem Stellenabbau dafür sorgen, dass eine Personalvertretung vorhanden ist.
Volkswirtschaftsdepartement, RAV, …) Banken, Lieferanten und Kunden, Medien?
Wir haben gelernt, dass unsere Infos teilweise nicht alle Adressaten auf Kundenseite erreichten. Heute würden wir aktiv überprüfen, ob Kunden auch wirklich alle Stellen in ihrer Organisation – wie z.B. andere Werke – informiert haben. Und wir waren zuerst etwas unbeholfen im Kontakt mit Behörden oder Sozialpartnern, weil wir das bis dann noch nicht so kannten. Hier hat auch der Verband gut geholfen.
Noch ein Gedanke zum Schluss?
Eine persönliche Erfahrung: ich habe gelernt, dass wir auf unsere Mitarbeitenden aktiv zugegangen sind und gute Lösungen hatten. Auf Verstandesebene. Bei den Leuten hatte die Veränderung jedoch Auswirkungen auf die ganz persönliche Lebensplanung. Dann bewegt man sich auch auf der Gefühlsebene. Es geht auch um den Lebensweg der Mitarbeiter. Das sollte man nie vergessen!
Im Rahmen von Betriebsschliessungen ist es wichtig, dass die Mitarbeiter wertschätzend aufgefangen werden. Diese Begleitung kann sich sich positiv auf die Lebensplanung der Mitarbeiter auswirken und ein gutes Gefühl hinterlassen.
Dominik Müller
Spezialist für Krisenkommunikation im infiniti care-Team
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